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Patrick Chauvel - Fotojournalismus

Warum soll man in einer von Bildern überschwemmten Welt noch Fotos aufnehmen? Was ist ein gutes Foto? Kann man noch davon träumen, von der Fotografie zu leben? Nach 50 Jahren in diesem Metier hat der französische Fotograf Antworten auf diese Fragen, die man ihm oft stellt. Seine Fotos geben ebenfalls Antworten auf diese Fragen.

Es ist schwierig, den Werdegang von Patrick Chauvel zusammenzufassen. Sein Weg ist die Liste der weltweiten Konflikte der vergangenen 50 Jahre und die Erzählung eines Heldenepos.

Patrick Chauvel wurde 1949 als Sohn von Jean-François Chauvel (Journalist) geboren und ist der Neffe des Regisseurs Pierre Schoendoerffer. Letzterer und andere waren eine Quelle der Inspiration für Chauvel, der sich zu einem Kriegsberichterstatter, Fotografen, Dokumentarfilmer und Schriftsteller entwickelte. Patrick Chauvel hat 34 Kriege miterlebt und wurde fünf Mal verwundet.

Ab 1970 arbeitete er für die Agentur Sipa. Er drehte Reportagen über den Nordirlandkonflikt und die Bürgerkriege in Mosambik und Kambodscha, wo er 1974 verletzt wurde.

Ein Jahr später wurde er vom Gründer und Chef von Sygma unter Vertrag genommen und drehte erneut in Irland und auch in Angola und Portugal Fotoreportagen und Dokumentationen. Es ist außerdem der Beginn des Bürgerkriegs im Libanon, in dem Patrick Chauvel 1978 in Kriegsgefangenschaft geriet. Nach seiner Befreiung kehrte er nach Frankreich zurück, von wo aus er nach Zaire reiste, um die Operation Kolwezi zu begleiten. Ein Jahr später war er bei den ersten islamistischen Demonstrationen in Pakistan dabei, dann im Iran, wo er am Knöchel verwundet wurde und gezwungen war, nach Hause zurückzukehren.

Das Ende der 1970er-Jahre und die 1980er-Jahre führten ihn nach Afghanistan, um über die sowjetische Intervention zu berichten. Außerdem zog es ihn oft nach Lateinamerika. Zuerst 1979 nach Nicaragua und später auch nach Salvador, Peru und Kolumbien. Seine Fotos des Massakers am Flughafen von Medellin brachten ihm 1988 den Kodak-Preis ein. Im darauffolgenden Jahr wurde Patrick Chauvel in Panama durch einen Schuss aus einer M16 schwer verletzt („Eigenbeschuss“, betonte der Fotograf augenzwinkernd), woraufhin er sich einer schwierigen Bauchoperation unterziehen musste.

Nach seiner Genesung widmete Patrick Chauvel den Straßenschlachten in New York (1990) eine Reportage. Im darauffolgenden Jahr ging er in Haiti mit den Boatpeople an Bord eines Bootes in Richtung der Vereinigten Staaten von Amerika, aber nach drei Tagen auf dem Meer erlitt das Boot Schiffbruch. Mitte der 1990er Jahre berichtete der Fotograf über mehrere Konflikte, in Somalia (1993), in Bosnien (1994) und in Tschetschenien (1995) mit der russischen Offensive. Eine seiner Reportagen erhielt einen World Press Photo Award und den Prix d´Angers im Jahr 1996.

In diesem Jahr verließ Patrick Chauvel die Agentur Sygma. Die extreme Gewalt, die er in Tschetschenien mit ansehen musste, bestärkte ihn in seiner Idee, dass mehr noch als das Bild zukünftig für ihn die Sprache notwendig ist, um das auszudrücken, was er über die Konflikte zu sagen hat. Der Fotograf beschäftigte sich mit der in Dokumentationsfilmen üblichen Sprache. Im Jahr 1998 drehte er gemeinsam mit Antoine Novat einen Film mit dem Titel „Rapporteurs de guerre“, in dem Kriegsreporter nach ihren Gründen für ihr Engagement in diesem Bereich befragt werden. Als Reaktion auf die den anderen Journalisten gestellten Fragen veröffentlichte Patrick Chauvel im Jahr 2000 seine eigene Sicht mit „Rapporteur de guerre“ (im Singular).

In diesem Zeitraum erstellte Patrick Chauvel eine Dokumentationsreihe für das französische Fernsehen mit den folgenden Themen: die Gewalt gegen Frauen in Algerien, der israelisch-palästinensische Konflikt, die Traumata der tschetschenischen Kinder, die Verzweiflung der irakischen Künstler, die Übergriffe in Pakistan, in Thailand, an der Grenze zu Afghanistan etc.

Im Jahr 2010 nimmt Patrick Chauvel die Fotoreportage in Afghanistan wieder auf, berichtet jedoch auch über den arabischen Frühling (Ägypten), aus den mehrere Bürgerkriegen (Libyen, Syrien, Irak) hervorgegangen sind.

Als Redner ist Patrick Chauvel immer auf die Nachrichtenübermittlung bedacht. 2014 hat er mit Hilfe von Freunden in der Schweiz den Förderverein der Fondation Patrick-Chauvel gegründet mit dem Ziel, seine gesamte Arbeit zusammenzutragen, um eine Reflexionsplattform für den Beruf des Kriegsberichterstatters zu entwickeln und eine Brücke zwischen den Generationen zu erschaffen, indem er die Arbeiten von unbekannten Fotografen in den Vordergrund bringt.

Außerdem ist er gemeinsam mit Rémy Ourdan einer der Mitgründer der Fondation WARM, die sich mit der Aufarbeitung der aktuellen Konflikte in der Welt beschäftigt, und lässt im Rahmen der Gedanken zum Krieg und zu Konfliktlösungen Forschende diverser Fachrichtungen zu Wort kommen.

Patrick Chauvel ist außerdem regelmäßiger Gast beim Prix Bayeux-Calvados für Kriegsberichterstatter, bei dem er im Oktober 2009 den Vorsitz geführt hatte, in dem Jahr, als er dort seine Ausstellung mit dem Titel „Guerre-ici“ an den Wänden von Bayeux vorstellte: Fotomontagen (bei denen zum Beispiel eine Kampfszene aus dem Libanon neben die Kirche Sacré-Cœur gestellt wird), um diejenigen zu warnen, welche bereit sind, Konflikte zu ignorieren, da sie weit weg von ihnen stattfinden.

Im Jahr 2019 erhielt Patrick Chauvel den Prix Bayeux Calvados. Im gleichen Jahr wurde sein Archiv – 380.000 Fotos und 1.000 Stunden Dokumentationen – an das Mémorial de Caen übergeben und gebündelt, wo seiner Arbeit ein ganzer Saal gewidmet ist.